Überblick zum Grad der Behinderung (GdB) bei Autismus mit Beispielen
Dieser Beitrag gibt einen Überblick zu Autismus und dem Grad der Behinderung (GdB) anhand von Beispielen (weiter unten). Auch wenn die Beispiele sorgfältig zusammengetragen wurden, besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit, alle Angaben sind ohne Gewähr. Nähere Informationen zu Autismus und dem Grad der Behinderung finden Sie auch bei Autismus Deutschland e. V.
Was ist Autismus?
Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die sich auf die Wahrnehmung, Kommunikation und soziale Interaktion auswirkt. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) erleben die Welt oft anders als neurotypische Menschen und können je nach Schwere der Symptome erhebliche Beeinträchtigungen im Alltag haben. In Deutschland wird der Grad der Behinderung (GdB) zur Bestimmung des Schweregrades einer Behinderung herangezogen. Doch wie wird der GdB bei Autismus festgelegt, und welche Kriterien spielen dabei eine Rolle?
Autismus-Spektrum-Störungen und ihre Auswirkungen:
Autismus wird als Spektrum betrachtet, da es verschiedene Ausprägungen mit unterschiedlichen Schweregraden gibt. Zu den häufigsten Diagnosen innerhalb des Spektrums gehören:
Autismus-Spektrum-Störung: Umfasst alle folgenden Subtypen. Die Einteilung in Subtypen ist veraltet, wird jedoch von den Behörden oft noch so gehandhabt, daher werden sie hier aufgeführt:
Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom): Meist mit starken sprachlichen und kognitiven Einschränkungen verbunden.
Asperger-Syndrom: Oft gekennzeichnet durch eine normale oder überdurchschnittliche Intelligenz, jedoch mit ausgeprägten Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion.
Atypischer Autismus: Fällt nicht eindeutig in eine der anderen Kategorien und weist eine Mischung von Symptomen auf.
Die Beeinträchtigungen können sich in unterschiedlichen Lebensbereichen äußern, z. B. im schulischen und beruflichen Umfeld, in sozialen Beziehungen oder im täglichen Leben.
Festlegung des Grades der Behinderung (GdB)
Der Grad der Behinderung (GdB) wird in Deutschland nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) festgelegt. Diese Verordnung gibt eine Orientierung für die Beurteilung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Person. Laut den versorgungsmedizinischen Grundsätzen gibt es für Autismus keine pauschale Festlegung des GdB, sondern eine individuelle Bewertung anhand der Schwere der Beeinträchtigung.
Die wichtigsten Kriterien sind:
- Ausmaß der sozialen Interaktionsprobleme
- Beeinträchtigungen der Kommunikationsfähigkeit
- Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit
- Selbstständigkeit im Alltag
- Notwendigkeit von Betreuung oder Assistenz
GdB 20–40: Leichte bis mittlere Beeinträchtigung
- Deutliche soziale Schwierigkeiten, aber eingeschränkte Anpassungsfähigkeit möglich.
- Sensorische Empfindlichkeiten vorhanden, aber mit Hilfsmitteln (z. B. Kopfhörer) gut kompensierbar.
- Alltagsorganisation erschwert, aber noch selbstständig möglich.
- Kein Schwerbehindertenstatus, jedoch Gleichstellung (ab GdB 30) für berufliche Vorteile möglich.
GdB 50–70: Schwerwiegende Beeinträchtigung (Schwerbehindertenstatus)
- Massive soziale Probleme, Kommunikation stark eingeschränkt oder sehr anstrengend.
- Sensorische Reizüberflutung führt zu Meltdowns oder starken Einschränkungen im Alltag.
- Selbstständiges Leben schwierig, regelmäßige Unterstützung erforderlich.
- Schwerbehindertenausweis mit Nachteilsausgleichen (z. B. Steuervergünstigungen, Kündigungsschutz).
GdB 80–100: Sehr schwere bis vollständige Beeinträchtigung
- Kommunikation kaum oder gar nicht möglich, starke soziale Isolation.
- Extreme sensorische Überempfindlichkeit, Alltagsbewältigung fast unmöglich.
- Ständige Betreuung notwendig, selbst grundlegende Tätigkeiten (z. B. Körperpflege) stark eingeschränkt.
- Häufig Anspruch auf Pflegegrad und intensive Hilfsmaßnahmen.
Ein höherer GdB bedeutet also eine stärkere Beeinträchtigung im täglichen Leben und erhöht die Unterstützungsmöglichkeiten.
Zusätzliche Merkzeichen
Neben dem GdB können zusätzliche Merkzeichen zuerkannt werden, wenn besondere Einschränkungen vorliegen:
- H (Hilflosigkeit): Wenn eine Person dauerhaft auf fremde Hilfe angewiesen ist.
- B (Begleitperson erforderlich): Falls eine ständige Begleitung notwendig ist.
- G (Erhebliche Gehbehinderung): Bei stark eingeschränkter Mobilität, auch aufgrund von Autismus-bedingten Ängsten.
- aG (Außergewöhnliche Gehbehinderung): Falls schwerwiegende Mobilitätseinschränkungen bestehen.
Beantragung und Verfahren
Um einen GdB feststellen zu lassen, muss ein Antrag beim zuständigen Versorgungsamt gestellt werden.
Wichtige Unterlagen sind:
- Ärztliche Gutachten und Diagnosen
- Berichte von Therapeuten oder Sozialpädagogen
- Dokumentation der Einschränkungen im Alltag
Nach Prüfung der Unterlagen erfolgt die Festsetzung des GdB. Falls der Antrag abgelehnt oder ein niedrigerer GdB vergeben wird als erwartet, kann Widerspruch eingelegt werden. Sehr hilfreich ist hierbei der Sozialverband VdK . Widersprüche sind häufig erfolgreich und sollten unbedingt eingelegt werden. Eine Mitarbeiterin aus dem Versorgungsamt fragte mich einmal, ob Autismus denn auch erst im Erwachsenenalter auftreten kann. Sie erhalte häufig Anträge auf einen Grad der Behinderung von Erwachsenen, die vorher nicht auffällig wurden. Sie verstehe nicht, wieso erwachsene Menschen diesen Antrag auf Behinderung stellen und dies nicht schon vorher getan haben. (So viel zum Fachwissen über spät diagnostizierte Autist:innen und bspw. Masking. Es gibt hier noch großen Nachholbedarf!)
Vorteile eines anerkannten GdB
- Steuerliche Erleichterungen
- Erleichterungen im Arbeitsrecht (z. B. besonderer Kündigungsschutz, zusätzlicher Urlaub)
- Nachteilsausgleiche im öffentlichen Leben (z. B. Ermäßigungen bei Eintrittspreisen)
- Anspruch auf Unterstützung, z. B. Integrationshilfe oder Assistenzleistungen
Beispiele für GdB 30 bei Autismus:
Ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 bei Autismus bedeutet, dass eine Person eine anerkannte, aber nicht schwerbehinderte Beeinträchtigung hat. Der GdB gibt an, wie stark die gesundheitliche Einschränkung das tägliche Leben beeinflusst.
- Beispiel: Büroangestellte:r mit Reizüberempfindlichkeit und sozialer Unsicherheit
Einschränkungen:
- Schwierigkeiten mit Small Talk und spontaner Kommunikation im Team
- Probleme bei der Verarbeitung von Reizen in offenen Büroumgebungen (z. B. Geräusche, grelles Licht)
- Erhöhter Stress durch unklare Arbeitsanweisungen oder unerwartete Veränderungen
Auswirkungen:
- Benötigt ruhige Arbeitsbereiche oder Homeoffice-Optionen
- Hat Schwierigkeiten mit Telefonaten oder Meetings mit vielen Teilnehmern
- Beispiel: Student:in mit exzellentem Fachwissen, aber Problemen im Alltag
Einschränkungen:
- Sehr gute kognitive Fähigkeiten in Mathematik und Naturwissenschaften, aber Schwierigkeiten mit organisatorischen Aufgaben (z. B. Fristen einhalten, Prüfungen planen)
- Probleme mit Gruppenarbeiten und mündlichen Präsentationen
- Starker innerer Stress durch unstrukturierte Lehrveranstaltungen oder wechselnde Dozenten
Auswirkungen:
- Benötigt extra Zeit für Prüfungen oder strukturierte Pläne für Aufgaben
- Meidet soziale Universitätsveranstaltungen und hat wenige Freundschaften
- Beispiel: Handwerker:in mit eingeschränkter Flexibilität und Stressresistenz
Einschränkungen:
- Gutes technisches Verständnis, aber Schwierigkeiten mit Multitasking und schnellen Anpassungen an neue Situationen
- Überforderung in chaotischen Baustellen- oder Werkstattumgebungen
- Starker Stress durch unklare oder wechselnde Arbeitsaufträge
Auswirkungen:
- Bevorzugt klare, vorhersehbare Abläufe und wiederkehrende Aufgaben
- Schwierigkeiten mit Kundenkontakt oder spontanen Arbeitsänderungen
Weitere Beispiele für GdB 30:
- Beruflicher Stress und soziale Unsicherheiten
- Eine Person mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) hat Schwierigkeiten mit sozialen Interaktionen und Veränderungen im Arbeitsalltag.
- Sie kann einfache Routinen gut bewältigen, hat aber Probleme mit spontanen Änderungen oder unklaren Anweisungen.
- In Meetings fühlt sie sich schnell überfordert, zieht sich zurück und hat dadurch Schwierigkeiten mit dem Team.
- Trotz dieser Einschränkungen kann sie ihren Job mit Unterstützung noch ausführen.
- Eingeschränkte Selbstständigkeit, aber keine vollständige Abhängigkeit
- Eine betroffene Person hat Probleme mit Organisation und Tagesstrukturierung.
- Sie benötigt Erinnerungen und Routinen, um den Alltag zu bewältigen (z. B. Essen, Einkaufen, Haushalt).
- Allerdings kann sie mit Unterstützung noch eigenständig leben und einfache Aufgaben erledigen.
- In stressigen oder ungewohnten Situationen reagiert sie mit starker Unsicherheit oder Rückzug.
- Leichte sensorische Überempfindlichkeit mit sozialer Beeinträchtigung
- Die Person ist geräusch- und lichtempfindlich und kann z. B. öffentliche Verkehrsmittel nur mit Kopfhörern nutzen.
- In lauten Umgebungen bekommt sie Stressreaktionen, die zu Erschöpfung und sozialem Rückzug führen.
- Sie hat Probleme, neue Kontakte zu knüpfen, kann aber mit bekannten Menschen normal interagieren.
- Ihr Alltag ist beeinträchtigt, aber durch Anpassungen noch gut handhabbar.
Warum GdB 30 und nicht höher?
Ein GdB von 30 wird oft vergeben, wenn zwar erhebliche, aber nicht schwerwiegende Einschränkungen im Alltag bestehen. Die betroffenen Personen können in vielen Bereichen des Lebens selbstständig sein, benötigen aber gewisse Anpassungen oder Unterstützungen, um optimal zu funktionieren. Ein höherer GdB (z. B. 50) wäre eher gerechtfertigt, wenn die Einschränkungen massiver sind, z. B. eine Unfähigkeit zur selbstständigen Lebensführung oder extreme sensorische Überlastungen.
Beispiele für GdB 40 bei Autismus:
Kein Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis (dieser gilt erst ab GdB 50).
Möglichkeit der Gleichstellung mit Schwerbehinderten beim Arbeitsamt, wenn Probleme im Beruf bestehen (z. B. Kündigungsschutz, Hilfen am Arbeitsplatz).
Anerkennung von gesundheitlichen Einschränkungen, aber keine umfassenden Nachteilsausgleiche.
- Büroangestellte:r mit sozialen Schwierigkeiten
- Eine Person arbeitet als Datenanalyst:in in einem Büro. Sie ist fachlich kompetent, hat aber große Schwierigkeiten mit Smalltalk, Teamarbeit und spontanen Änderungen.
- In Meetings ist sie oft überfordert, weil sie nonverbale Signale nicht gut versteht. Sie zieht sich in stressigen Situationen zurück, was Kollegen als unfreundlich wahrnehmen.
- Sie meidet Firmenfeiern und gemeinsame Mittagspausen, weil sie der soziale Austausch anstrengt.
- Trotz dieser Herausforderungen kann sie ihren Job mit festen Routinen und einem ruhigen Arbeitsplatz bewältigen.
- Alleinlebende:r mit sensorischen Problemen und Strukturbedarf
- Eine Person lebt alleine, hat aber große Probleme mit Alltagsorganisation. Sie vergisst Termine und braucht eine strikte Routine, um ihren Tag zu strukturieren.
- Laute Geräusche, grelles Licht und kratzige Kleidung sind für sie sehr belastend. Sie trägt oft Kopfhörer und spezielle Kleidung, um Reizüberflutung zu vermeiden.
- Sie kann einkaufen gehen, aber nur in ruhigen Zeiten und an vertrauten Orten. Unerwartete Veränderungen (z. B. ein umgeräumter Supermarkt) stressen sie stark.
- Sie benötigt gelegentliche Unterstützung durch eine vertraute Person, um Behördenangelegenheiten oder Arztbesuche zu bewältigen.
- Handwerker:in mit eingeschränkter Flexibilität und Kommunikationsproblemen
- Eine junge Person arbeitet als Mitarbeiter:in in einer Werkstatt, wo sie sich auf eine bestimmte Aufgabe spezialisiert hat.
- Sie kommt gut zurecht, solange sie feste Routinen und klare Anweisungen hat, aber spontane Änderungen oder neue Aufgaben bringen sie aus dem Konzept.
- Im direkten Kundenkontakt fühlt sie sich unsicher und vermeidet Augenkontakt. Ihre Art zu sprechen wirkt auf andere manchmal zu direkt oder unhöflich, obwohl sie es nicht so meint.
- Mit einer ruhigen Arbeitsumgebung und einem verständnisvollen Team kann sie ihren Beruf ausüben, braucht aber manchmal Unterstützung von Kollegen oder Vorgesetzten.
Weitere Beispiele für GdB 40:
- Eingeschränkte verbale und nonverbale Kommunikation
- Die betroffene Person hat Schwierigkeiten, längere Gespräche zu führen, meidet Augenkontakt und versteht nonverbale Signale nur begrenzt.
- Sie kann sich grundsätzlich sprachlich ausdrücken, braucht aber oft klare, direkte Anweisungen ohne Mehrdeutigkeiten.
- Soziale Interaktionen sind anstrengend und führen schnell zu Überforderung.
- Missverständnisse sind häufig, weshalb sie sich oft zurückzieht oder als unhöflich wahrgenommen wird.
- Sensorische Überempfindlichkeit mit spürbaren Einschränkungen
- Bestimmte Geräusche, Lichtverhältnisse oder Berührungen sind stark belastend und können zu Stressreaktionen führen.
- Die Person hat Schwierigkeiten in lauten oder hektischen Umgebungen und nutzt oft Strategien wie Kopfhörer oder Sonnenbrillen, um sich zu schützen.
- Einkaufen oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind möglich, aber mit hoher Belastung verbunden.
- Spontane Veränderungen im Alltag können zu Überforderung und Rückzug führen.
- Eingeschränkte Selbstständigkeit mit gelegentlicher Unterstützung
- Die Person kann grundsätzlich für sich selbst sorgen, hat aber Probleme mit der Organisation und Strukturierung des Alltags.
- Sie benötigt Erinnerungen für wichtige Aufgaben (z. B. Arzttermine, Einkäufe) und kann unter Stress den Überblick verlieren.
- Ohne Routinen fällt es schwer, Aufgaben zu beginnen oder abzuschließen.
- Unterstützung durch Familie, Freunde oder betreuende Personen ist hilfreich, aber nicht rund um die Uhr erforderlich.
Warum GdB 40 und nicht höher?
Ein GdB von 40 wird vergeben, wenn deutliche Einschränkungen im sozialen, kommunikativen und sensorischen Bereich bestehen, aber noch eine gewisse Selbstständigkeit möglich ist. Die betroffene Person hat spürbare Schwierigkeiten im Alltag, kann jedoch mit Anpassungen und gelegentlicher Unterstützung viele Aufgaben bewältigen.
Beispiele für GdB 50 bei Autismus:
Ein GdB von 50 bedeutet, dass die Beeinträchtigungen durch Autismus erheblich sind und eine Schwerbehinderung anerkannt wurde. In der Regel sind in diesen Fällen mehrere Lebensbereiche deutlich eingeschränkt, etwa soziale Interaktion, Reizverarbeitung, Selbstständigkeit oder berufliche Leistungsfähigkeit.
- Beispiel: IT-Spezialist:in mit starker sozialer und sensorischer Beeinträchtigung
Einschränkungen:
- Extreme Probleme mit sozialer Interaktion: Schwierigkeiten, Körpersprache zu verstehen, Angst vor Missverständnissen
- Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Licht oder Berührungen (z. B. laute Büros sind nicht erträglich)
- Starre Routinen: Spontane Änderungen lösen Stress oder Meltdowns aus
Auswirkungen:
- Benötigt Einzelbüro oder Homeoffice
- Vermeidet Meetings oder Kundenkontakte
- Hat Schwierigkeiten, außerhalb einer festen Routine zu agieren
- Beispiel: Arbeitslose:r mit eingeschränkter Selbstständigkeit und hohem Unterstützungsbedarf
Einschränkungen:
- Probleme, eigenständig einen Haushalt zu führen (z. B. Einkaufen, Kochen, Termine organisieren)
- Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, da Bewerbungen, Vorstellungsgespräche und wechselnde Anforderungen überfordern
- Erhöhte Stressanfälligkeit, die zu Rückzug und depressiven Episoden führt
Auswirkungen:
- Benötigt Unterstützung durch Familie, Assistenz oder betreutes Wohnen
- Schwierigkeiten, langfristige Beschäftigung zu halten
- Hohe Belastung durch Behördengänge und Alltagsanforderungen
- Beispiel: Künstler:in mit starkem Rückzugsbedürfnis und begrenztem Alltagsmanagement
Einschränkungen:
- Sozialer Rückzug: Direkte Kontakte werden vermieden, da sie schnell überfordern
- Sehr spezifische, intensive Interessen, aber Unfähigkeit, diese in einen geregelten Beruf einzubinden
- Probleme mit der Selbstorganisation (z. B. Fristen einhalten, Anträge stellen, Finanzen verwalten)
Auswirkungen:
- Lebt zurückgezogen und kommuniziert fast ausschließlich online
- Meidet Behördenwege und braucht Unterstützung bei organisatorischen Angelegenheiten
- Schwierigkeiten, künstlerische Aufträge termingerecht zu bearbeiten
Weitere Beispiele für GdB 50:
- Starke soziale Einschränkungen und Kommunikationsprobleme
- Die betroffene Person hat große Schwierigkeiten, Gespräche zu führen, Körpersprache zu deuten oder Blickkontakt zu halten.
- Sie kann sich kaum auf soziale Interaktionen einlassen und vermeidet Gespräche außerhalb eines bekannten Umfelds.
- Dadurch entstehen erhebliche Probleme im Alltag, z. B. beim Einkaufen, in Behörden oder bei der Arbeit.
- Ohne Unterstützung sind viele Situationen kaum zu bewältigen.
- Massive sensorische Überempfindlichkeit mit Alltagsbeeinträchtigung
- Die Person reagiert extrem empfindlich auf Geräusche, Licht oder Berührungen.
- Selbst alltägliche Geräusche (z. B. Staubsauger, Stimmengewirr) führen zu Panik oder Overload.
- Sie kann öffentliche Orte nur mit massiven Anpassungen (z. B. Kopfhörer, Sonnenbrille) besuchen oder meidet sie ganz.
- Dies führt zu sozialer Isolation und macht ein normales Arbeitsleben schwierig.
- Starke Probleme mit Selbstständigkeit und Tagesstruktur
- Die Person benötigt tägliche Unterstützung bei Organisation, Hygiene, Ernährung und Haushaltsführung.
- Ohne feste Routinen oder Begleitung ist sie überfordert und kann Aufgaben nicht selbstständig erledigen.
- Durch Überforderung kommt es zu Rückzug, Lähmungserscheinungen oder Meltdowns.
- Eine selbstständige Berufstätigkeit ist kaum möglich oder nur mit sehr speziellen Anpassungen.
Warum GdB 50 und nicht niedriger?
Ein GdB von 50 wird oft vergeben, wenn die Einschränkungen tiefgreifender sind und sich stark auf den Alltag, die Berufsfähigkeit oder die soziale Integration auswirken. Betroffene haben meist erhebliche Schwierigkeiten in mehreren Lebensbereichen und benötigen regelmäßig Unterstützung oder spezielle Anpassungen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Beispiele für GdB 70 bei Autismus:
Ein GdB von 70 bedeutet, dass die Beeinträchtigungen durch Autismus schwerwiegend sind und das alltägliche Leben stark beeinflussen. In der Regel bestehen erhebliche Einschränkungen in der Selbstständigkeit, sozialen Interaktion, Reizverarbeitung und beruflichen Teilhabe. Viele Betroffene benötigen regelmäßige Unterstützung oder Assistenz im Alltag.
- Beispiel: Frühverrentete:r Autist:in mit starker Reizüberempfindlichkeit und Kommunikationsproblemen
Einschränkungen:
- Massive sensorische Überempfindlichkeit (z. B. grelles Licht, laute Geräusche lösen extreme Überforderung oder Meltdowns aus)
- Kaum Fähigkeit, soziale Interaktionen zu verstehen oder zu führen (Missverständnisse, monotone Sprache, keine Fähigkeit zu Small Talk)
- Hohe Stressanfälligkeit, was das Arbeiten in einem normalen Umfeld unmöglich macht
Auswirkungen:
- Keine reguläre Erwerbstätigkeit möglich → Frühverrentung oder Erwerbsminderungsrente
- Braucht strukturierte Tagesabläufe, feste Routinen und eine reizarme Umgebung
- Kommuniziert überwiegend schriftlich, da verbale Kommunikation zu belastend ist
- Beispiel: Autist:in im betreuten Wohnen mit eingeschränkter Selbstständigkeit
Einschränkungen:
- Schwierigkeiten in der Alltagsbewältigung: Selbstversorgung, Einkäufe, Kochen, Haushaltsführung sind nur mit Unterstützung möglich
- Probleme mit Exekutivfunktionen (z. B. Planung von Aufgaben, Einhalten von Fristen, Organisation von Terminen)
- Starke soziale Ängste und Überforderung in unbekannten oder unstrukturierten Situationen
Auswirkungen:
- Wohnt in einer betreuten Wohnform mit Assistenz im Alltag
- Braucht Begleitung für Behördengänge, Arztbesuche oder größere Einkäufe
- Kann einfache Arbeiten ausführen, aber nur in einem geschützten Rahmen mit klaren Anweisungen
- Beispiel: Autist:in mit Sprechangst und extremer Stressanfälligkeit
Einschränkungen:
- Mündliche Kommunikation kaum möglich, spricht nur mit vertrauten Personen oder nutzt unterstützte Kommunikation (z. B. Schreiben, Sprachcomputer)
- Extreme Erschöpfung durch soziale Interaktion und sensorische Reize (führt oft zu Rückzug oder langen Erholungsphasen)
- Hohe Abhängigkeit von festen Routinen, unerwartete Änderungen führen zu Panikattacken oder Shutdowns
Auswirkungen:
- Kann nicht alleine reisen oder spontan auf neue Situationen reagieren
- Stark eingeschränkte berufliche Perspektiven, evtl. Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) oder geschützte Arbeitsumgebung
- Braucht Unterstützung bei der Alltagsbewältigung, oft auch durch Angehörige oder Betreuer
Weitere Beispiele für GdB 70:
- Sehr eingeschränkte soziale und kommunikative Fähigkeiten
- Die Person kann nur mit sehr vertrauten Menschen kommunizieren, Gespräche mit Fremden sind fast unmöglich.
- Sie versteht soziale Regeln nur schwer und kann sich nicht in andere hineinversetzen.
- Selbst in bekannten Gruppen (z. B. Familie, Kollegen) gibt es häufig Missverständnisse und Konflikte.
- Dies führt zu sozialer Isolation und erheblichen Problemen in Schule, Ausbildung oder Beruf.
- Schwere sensorische Überempfindlichkeit mit starken Einschränkungen im Alltag
- Laute Geräusche, grelles Licht oder bestimmte Stoffe lösen starke Angst, Schmerzen oder Meltdowns
- Die Person kann öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen und vermeidet belebte Orte.
- Selbst mit Anpassungen (z. B. Kopfhörer, Spezialkleidung) sind viele Alltagsaktivitäten nur schwer möglich.
- Reisen oder spontane Änderungen der Routine sind fast unmöglich.
- Eingeschränkte Selbstständigkeit mit hohem Betreuungsbedarf
- Die Person benötigt täglich Unterstützung bei der Tagesstruktur, Körperpflege oder beim Einkaufen.
- Ohne Betreuung vergisst sie wichtige Aufgaben, kann Termine nicht einhalten oder gerät in Überforderung.
- Arbeiten ist nur mit sehr spezialisierten Anpassungen oder in geschützten Arbeitsbereichen möglich.
- Sie kann oft nicht allein wohnen oder benötigt betreutes Wohnen.
Warum GdB 70 und nicht niedriger?
Ein GdB von 70 wird vergeben, wenn die Einschränkungen so schwer sind, dass eine selbstständige Lebensführung kaum oder nur mit erheblicher Unterstützung möglich ist. Viele Betroffene sind in ihrer Berufstätigkeit stark eingeschränkt, benötigen Betreuung oder leben in geschützten Wohnformen.
Beispiele für GdB 80 bei Autismus:
Ein GdB von 80 bedeutet, dass die Beeinträchtigungen durch (Asperger)-Autismus sehr schwerwiegend sind und das gesamte Leben massiv beeinflussen. Betroffene haben starke Einschränkungen in der Selbstständigkeit, sozialen Interaktion, Reizverarbeitung und oft auch in der Berufstätigkeit. Viele sind auf dauerhafte Unterstützung oder Betreuung angewiesen.
- Beispiel: Autist:in mit extremer Reizüberflutung und vollständigem sozialen Rückzug
Einschränkungen:
- Sehr starke sensorische Überempfindlichkeit (z. B. Alltagsgeräusche oder visuelle Reize lösen sofortige Überforderung oder Panik aus)
- Sozialer Rückzug: Kann kaum oder gar nicht mit anderen Menschen interagieren, selbst mit Familie nur eingeschränkt
- Wechselnde oder ungeplante Situationen führen zu schweren Meltdowns oder Shutdowns
Auswirkungen:
- Lebt in einer geschützten Umgebung, z. B. betreutes Wohnen oder bei Angehörigen
- Kann nur mit assistierender Kommunikation (z. B. schriftlich oder per App) mit anderen Menschen kommunizieren
- Nicht arbeitsfähig, bezieht meist Erwerbsminderungsrente
- Beispiel: Autist:in mit vollständiger Unfähigkeit zur eigenständigen Lebensführung
Einschränkungen:
- Starke Defizite in der Selbstversorgung (z. B. Probleme beim Kochen, Einkaufen, Wäsche waschen, Hygiene)
- Exekutive Dysfunktion: Planen, Organisieren oder Strukturieren des Alltags nicht möglich
- Braucht feste Routinen, jede Abweichung führt zu Angstzuständen oder totaler Überforderung
Auswirkungen:
- Wohnt in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung oder bei Angehörigen mit Rund-um-die-Uhr-Unterstützung
- Kann alltägliche Aufgaben nur mit direkter Anleitung und Hilfe ausführen
- Keine selbstständige Erwerbstätigkeit möglich, evtl. geschützte Beschäftigung (z. B. WfbM)
- Beispiel: Autist:in mit schwerer Kommunikationsstörung und Angststörung
Einschränkungen:
- Mündliche Kommunikation fast unmöglich, selbst mit vertrauten Personen gibt es erhebliche Schwierigkeiten
- Massive soziale Ängste, selbst kurze Interaktionen lösen starke Panik aus
- Erschöpfung nach kleinsten Alltagsaufgaben, benötigt lange Erholungszeiten nach jeder sozialen oder sensorischen Belastung
Auswirkungen:
- Meidet jegliche öffentlichen Orte und kann nicht selbstständig einkaufen oder Behördengänge erledigen
- Hohe Abhängigkeit von Angehörigen oder Assistenz im Alltag
- Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit, oft mit voller Erwerbsminderungsrente
Weitere Beispiele für GdB 80:
- Kaum vorhandene verbale oder nonverbale Kommunikation
- Die betroffene Person kann sich kaum oder gar nicht sprachlich ausdrücken.
- Sie versteht nur einfache, klare Anweisungen und braucht alternative Kommunikationsmethoden (z. B. Bildkarten, Tablets mit Sprachausgabe).
- Gespräche oder soziale Interaktionen sind stark eingeschränkt oder unmöglich.
- Dadurch ist sie in vielen Lebensbereichen auf ständige Unterstützung
- Extreme sensorische Überempfindlichkeit mit massiven Vermeidungsstrategien
- Normale Umgebungsreize (z. B. Stimmen, grelles Licht, bestimmte Materialien) lösen schwere Meltdowns oder Angstreaktionen
- Die Person kann öffentliche Orte oder neue Umgebungen kaum betreten.
- Selbst mit Hilfsmitteln (z. B. Noise-Cancelling-Kopfhörer) sind Alltagsaktivitäten wie Einkaufen oder Arztbesuche nur unter großen Schwierigkeiten möglich.
- Dadurch ist sie stark auf Betreuung und Begleitung angewiesen.
- Fehlende Selbstständigkeit in fast allen Lebensbereichen
- Die Person kann sich nicht selbst versorgen (z. B. Essen zubereiten, Körperpflege, Haushaltsführung).
- Ohne eine Bezugsperson oder feste Unterstützung ist der Alltag nicht zu bewältigen.
- Sie benötigt ständige Erinnerungen und Anleitung, da sie Abläufe nicht selbstständig strukturieren kann.
- Oft lebt sie in einem betreuten Wohnumfeld oder ist auf intensive familiäre Unterstützung angewiesen.
Warum GdB 80 und nicht niedriger?
Ein GdB von 80 wird vergeben, wenn die Beeinträchtigungen so schwer sind, dass selbst grundlegende Alltagsaufgaben kaum oder gar nicht mehr ohne Unterstützung bewältigt werden können. Die Betroffenen sind in fast allen Lebensbereichen stark eingeschränkt und benötigen durchgängig Hilfe oder eine geschützte Umgebung.
Fazit
Die Einstufung des GdB bei Autismus hängt stark von der individuellen Beeinträchtigung ab. Während manche Menschen mit Autismus nur geringe Einschränkungen haben und wenig Unterstützung benötigen, sind andere stark auf Hilfe angewiesen. Die Feststellung eines angemessenen GdB kann dabei helfen, Nachteilsausgleiche zu erhalten und eine bessere soziale Teilhabe zu ermöglichen.