Tipps zur Erlangung einer Psychotherapie bei Autismus und ADHS
Ich empfehle Ihnen, sich einmal nach Ausbildungsinstituten für Psychotherapie in Berlin (oder jeder anderen Großstadt/Landkreis) für Erwachsene (oder Kinder und Jugendliche) zu erkundigen. An den Ausbildungsinstituten für Psychotherapie arbeiten Psychologische Psychotherapeut:innen im letzten Abschnitt Ihrer Psychotherapieausbildung. Sie haben zu dem Zeitpunkt bereits ein mehrjähriges Psychologiestudium und eine mehrjährige Psychotherapieausbildung absolviert und arbeiten überwiegend schon viele Jahre in dem Bereich, sind alles andere als Berufsanfänger. Sie verfügen oftmals über das aktuellste Störungswissen, bzw. Wissen über Neurodivergenzen und sind im Gegensatz zu einigen „alten Hasen“ noch richtig motiviert, eine gute Psychotherapie anzubieten.
Überlegen Sie, ob Sie lieber eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder eine Verhaltenstherapie durchführen möchten. Ich rate zu einer Verhaltenstherapie, da diese meiner Meinung nach bei Neurodivergenzen die beste Wahl darstellt. Sie vermittelt konkrete Strategien, wie Sie mit Ihren Problemen am besten umgehen und wie Sie Schwierigkeiten gut kompensieren können. Und eine Verhaltenstherapie ist grundverschiedenen von Methoden der ABA (Applied Behavior Analysis), die ich persönlich ablehne. Gar nicht raten würde ich Ihnen bei z.B. depressiver, ängstlich-vermeidender oder persönlichkeitsnaher Symptomatik fußend auf einer Neurodivergenz wie einer Autismus-Spektrum-Störung oder ADHS zu einer psychoanalytischen Psychotherapie.
Sinnvoll ist eine Psychotherapie immer dann, wenn Sie eine Begleiterkrankung zu einer bestehenden Neurodivergenz (oder dem Verdacht einer solchen) entwickelt haben. Autistische Menschen und Menschen mit ADHS benötigen in den meisten Fällen erst Unterstützung, sobald eine Begleiterkrankung wie eine Depression oder Angsterkrankung zu Leidensdruck führt. „Nur“ wegen Autismus ist die Durchführung einer Psychotherapie über die Krankenkasse auch gar nicht möglich, da Autismus keine Erkrankung darstellt, die geheilt werden kann. Ohne Begleiterkrankung, die bei Leidensdruck eigentlich immer zu finden ist, würde die Krankenkasse eine Psychotherapie finanziell in dem Fall nicht übernehmen.
Zurück zu den Ausbildungsinstituten- haben Sie sich für ein Ausbildungsinstitut entschieden, rufen Sie dort bitte an oder schreiben eine E-Mail und beschreiben Ihr Anliegen. Beispielsweise, dass Sie depressive Symptome entwickelt haben, fußend auf einer Autismus-Spektrum-Störung oder ADHS. Haben Sie bisher keine offizielle Diagnose, geben Sie bitte unbedingt den Verdacht einer ASS oder ADHS an, denn der Therapeut oder die Therapeutin sucht sich Patient:innen anhand dieser Schilderungen aus. Sie können so sicher sein, dass Sie gezielte Hilfe erhalten und der Therapeut oder die Therapeutin Ahnung von der vorhandenen Symptomatik hat und motiviert ist, diese durchzuführen und Sie zu unterstützen. Patient:innen werden in Ausbildungsinstituten in der Regel Therapeut:innen nicht einfach zugeteilt, sondern es wird nach Passung geschaut. Und sowohl Autismus als auch ADHS sind zurzeit hochaktuell und interessieren viele Therapeut:innen, die sich oft in den Feldern weitergebildet haben. Doch selbst, wenn dies nicht der Fall wäre, ist der allerwichtigste Wirkfaktor in einer Psychotherapie, der durch viele Studien belegt wurde, die Beziehung zwischen Patient:in und Therapeut:in. Ihnen nützt der oder die beste und kompetenteste Therapeut:in nichts, wenn Sie auf der menschlichen Ebene nicht gut miteinander zurechtkommen und miteinander arbeiten können. Und ein unerfahrener Therapeut oder eine Therapeutin kann Sie sehr unterstützen, wenn er oder sie Ihnen gut zuhört, sie versteht und empathisch und einfühlsam ist (und auch von Ihnen viel lernen kann). Und Wissen um die Therapie von Begleiterkrankungen haben in der Regel alle Therapeut:innen ein gutes.
Für wichtig halte ich die Mitteilung über eine ADHS oder ASS (oder den Verdacht) daher, da dies bei der Beziehungsgestaltung eine Rolle spielt. Weiß der Therapeut oder die Therapeutin nicht, dass bei Ihnen evtl. eine ASS vorliegt, könnte er oder sie Ihr Verhalten anfänglich fehldeuten. Fällt es Ihnen bspw. schwer, Augenkontakt zu halten, Ihre Stimmlage zu variieren, Ihre Gefühle in Worten auszudrücken oder soziale Interaktionen durchzustehen, so könnte dies als Desinteresse oder fehlende Compliance fehlgedeutet werden, wobei dies ja genau Merkmale einer ASS sein können, die Ihnen sehr zu schaffen machen. Ist dies bekannt, so fällt es viel leichter, eine gute Beziehung herzustellen, da der Therapeut oder die Therapeutin es nun einordnen kann und nicht missdeutet oder selbst verunsichert ist. (Ich habe schon so oft gehört, dass aus genau diesen Gründen eine Therapie nach den probatorischen Sitzungen nicht fortgeführt wurde, und das nur wegen dieser Missverständnisse!) Und auch für Sie ist es sicherlich angenehmer, zu wissen, nicht unentwegt anstrengenden Augenkontakt halten oder Ihre Mimik kontrollieren zu müssen und dennoch verstanden zu werden. Geben Sie Ihrem Therapeuten oder Ihrer Therapeutin ruhig eine gewisse „Anleitung“, wie Sie „ticken“. Er oder Sie wird Ihnen sehr dankbar sein. Und falls die Beziehung zu einer tiefenpsychologisch fundierten Fachkraft am besten passt, machen Sie dort die Therapie!
Sehr gut ist, dass die Kosten einer Psychotherapie in Ausbildungsinstituten von der Krankenkasse zu 100% übernommen werden. Das Setting ist ganz normal wie bei jeder anderen Psychotherapie auch. (Keine Couch, diese gibt es nur bei psychoanalytischen Psychotherapien.) Und noch besser ist, dass Sie an Ausbildungsinstituten für Psychotherapie meistens viel schneller als bei niedergelassenen Psychotherapeut:innen eine Psychotherapie erlangen können, oft schon innerhalb weniger Wochen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach einem Psychotherapieplatz und hoffe, dass Ihnen schnell geholfen werden kann!