Informationen zum Testverfahren ADOS-2
Ich bekomme immer wieder die Frage gestellt, welche Testverfahren ich für die Autismus-Diagnostik verwende. Das sind eine ganze Menge! Sie sind zum größten Teil auf meiner Website aufgeführt. Am wichtigsten sind aber die Testverfahren ADOS-2 und ADI-R. Zusammen gelten sie als der ‚Goldstandard‘ der Autismus-Diagnostik. Zunächst würde ich gerne einen kurzen Einblick in das Testverfahren ADOS-2 geben.
ADOS-2 ist eine „Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen“, obwohl ich persönlich Begriffe wie ‚autistische Störung‘ oder gar ‚Krankheit‘ selbst nicht mag und lieber durch ‚Neurodivergenz‘ ersetze. Sie sind nicht gestört oder krank, Sie sind neurodivers. Der ADOS enthält 15 Aufgaben, durch die ich Sie Aufgabe für Aufgabe leite. Es ist also keine reine Selbstauskunft, in der Sie frei Fragen beantworten müssen. Einige Aufgaben sind Fragen in Fragebögen ähnlich, in anderen Aufgaben müssen sie etwas tun, also eine kleine Aufgabe bewältigen. In manchen Aufgaben gibt es Arbeitsmaterial, das Sie nutzen, daher ist die Durchführung des ADOS leider nicht online möglich. Die Aufgaben messen nicht Ihre intellektuellen Fähigkeiten, es geht vielmehr um Ihr Verhalten in sozialen Interaktionen. Der ADOS ist in verschiedenen Modulen von Kleinkindern bis hin zu Erwachsenen sehr spielerisch angelegt.
In der Regel verwende ich in der Erwachsenen-Diagnostik das Modul 4 für fließend sprechende Erwachsene. Die exakten Aufgaben kann ich natürlich nicht verraten, Sie sollen sich ja nicht darauf vorbereiten, sondern spontan agieren (ich weiß, das klingt gruselig, aber Sie schaffen das!). Der ADOS-2 prüft hierbei Autismus-typische Merkmale, insbesondere hinsichtlich Ihrer Emotionalität und Fähigkeit der sozialen Interaktion, die Sie in Ihrem Verhalten während der Bearbeitung der Aufgaben zeigen oder auch nicht. Es ist völlig „normal“, dass Ihnen einige Aufgaben vielleicht schwerfallen, der Test misst ja gerade das, was Menschen mit Autismus von neurotypischen Menschen unterscheidet. Ich bemühe mich hierbei sehr, den Test nicht wie eine Prüfungssituation zu gestalten, sondern etwas lockerer. Es gibt, bedingt durch die Aufgaben, durchaus auch lustige Momente, sofern Sie ein (etwas) humorvoller Mensch sind. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Insgesamt beträgt die Bearbeitungszeit ca. 1 Stunde und danach haben Sie sich eine Pause verdient. Ob Sie die Kategorie ‚Autismus‘ oder ‚Autismus-Spektrum-Störung‘ (so unterscheidet der Test, nicht ich) erfüllen, kann anhand bestimmter Grenzwerte, die Sie erreichen oder auch nicht, beurteilt werden.
Da er zum Goldstandard in der Autismus-Diagnostik zählt, verwende ich ihn auch. Und oft liefert er auch aussagekräftige Ergebnisse. Ein großer Kritikpunkt ist jedoch, dass er Anpassungsstrategien, um autistisches Verhalten vor anderen zu verbergen nicht erfasst oder auch nur erfragt. Er ist eine reine Beobachtungsskala. Masking- bzw. Camouflaging-Strategien werden somit in keiner Weise beachtet oder erfragt. Dies hat zur Folge, dass das gezeigte Verhalten, welches beobachtet wird, unauffällig erscheint und die Kriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung, gemessen mit dem ADOS, nicht erfüllt werden. Natürlich haben die meisten erwachsenen Autist:innen gelernt, wie sie sich in sozialen Situationen verhalten müssen, um nirgend anzuecken. Daher finde ich ihn in der Erwachsenen-Diagnostik nicht optimal, was ich in jedem Fall im diagnostischen Prozess beachte. Es kommt gar nicht so selten vor, dass nach den Ergebnissen des ADOS keine Autismus-Diagnose vorliegt, die anhand anamnestischer Angaben und Verhaltensbeschreibungen eindeutig vorliegt. Daher- keine Angst vor dem ADOS, der eher für kleine, westlich sozialisierte Jungen konzipiert worden zu sein scheint und immerhin schon fast 10 Jahre alt ist. Kenntnisse über Masking bzw. Camouflaging „steckten damals höchstens in den Kinderschuhen“.