Autismus: PDA, Pathological Demand Avoidance

Autismus: PDA, Pathological Demand Avoidance

Was ist pathologisches Vermeiden von Anforderungen bzw. PDA Autismus?

In letzter Zeit bekomme ich häufiger Anfragen von Menschen mit Autismusverdacht, die angeben von ‚PDA‘ betroffen zu sein. Doch was ist denn dieses ‚PDA‘, was man immer wieder hört? Der Begriff selbst ist von einer Professorin für Entwicklungspsychologie, Elizabeth Newson, verwendet worden. Sie wollte damit einen – ihrer Ansicht nach – vorhandenen Subtyp von Autismus beschreiben.

PDA wird, kurz gesagt, als pathologisches Vermeiden von Anforderungen beschrieben. Selbstgewählte Tätigkeiten können durchgeführt werden, aber bei (gleichen) Anforderungen durch andere treten Betroffene in ein starkes Vermeidungsverhalten. Ein eigenständiges Störungsbild ist es nach gängiger Meinung nicht. Es wird heute eher als ein Verhaltensprofil beschrieben, dass auch bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen auftreten kann. Das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Betroffenen ist nach derzeitigem Stand 1:1. Charakterisiert wird dieses Verhaltensmuster durch einen anhaltenden Widerstand bei der Erledigung von teils alltäglichen Anforderungen. Betroffene haben ausgefeilte (soziale) Strategien, um Dinge, die vom Umfeld erwartet werden, nicht erfüllen zu müssen. Dieser Widerstand scheint aber nicht durch den eigenen Willen gesteuert zu sein, sondern stellt vielmehr eine zwanghafte Unfähigkeit dar, Anforderungen anderer zu erfüllen. (PDA erfüllt nicht alle Kriterien eines Zwangs, das Wort wird hier in Ermangelung einer besseren Beschreibung genutzt.) Für andere Menschen sehen von PDA Betroffene auf den ersten Blick sozial sehr kompetent, charmant und liebenswürdig aus. Sie wirken aufgeschlossen und scheinen gute Empathiefähigkeiten zu haben, sind im Blickkontakt und mimischem Ausdruck oft nicht beeinträchtigt und werden durch einen guten sprachlichen Ausdruck oft überschätzt. Tiefergehend betrachtet, scheinen sie komplexe soziale Zusammenhänge aber nicht gut zu erkennen und neigen dazu, sich anderen Menschen distanzlos zu nähern oder auch, Kontrolle über sie auszuüben. Werden sie von anderen mit Anforderungen „in die Ecke gedrängt“, kann es passieren, dass sie in Zustände wie bei einem Meltdown oder Shutdown geraten. Zusätzlich sind sie auch sensorisch oft überempfindlich.

Auslöser für dieses Verhaltensmuster scheint Angst zu sein. Was auch nachvollziehbar ist. Jede*r von uns kennt sicher Tätigkeiten, die lange aufgeschoben oder vermieden werden aus Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden oder zu versagen. Auch wird die eigene Autonomie und Kontrolle beeinträchtigt, wenn andere Menschen Aufgaben an uns stellen und wir diese fremdmotiviert bearbeiten sollen. Bei PDA scheinen diese Ängste vor Kontrollverlust jedoch so große Dimensionen anzunehmen, dass Betroffene schon bei Kleinigkeiten in eine starke Vermeidungshaltung gehen, die sie selbst nicht steuern können. Sie leiden daher auch oft unter heftigen Stimmungsschwankungen.

Es wurde und wird noch immer diskutiert, ob PDA ein Subtyp des Autismus sein könnte. Doch diese Annahme wurde von einigen Stellen bereits widerlegt. Zum Teil auch dadurch, dass ein PDA-Profil auch bei anderen Störungsbildern, wie bspw. einer ADHS, Magersucht oder bei Mutismus auftreten kann. Auch scheinen Betroffene im Gegensatz zu autistischen Menschen viel besser mit indirekten Aufgabenstellungen wie, „es wäre schön, wenn du vielleicht das Laub zusammenharken könntest“, umgehen zu können statt mit direkter Ansprache wie, „hark das Laub zusammen“, welche viele Autist*innen bevorzugen würden. Nichtsdestotrotz kann das PDA-Verhaltensprofil bei Menschen mit Autismus dennoch vorliegen, aber eben nicht nur. Das wird zumindest kontrovers diskutiert und es scheint zwei wissenschaftliche Lager mit unterschiedlichen Auffassungen zu geben. Wie sich dieses Verhaltensprofil im Laufe des Lebens entwickelt und womit konkret es zusammenhängt, ist noch nicht umfassend und abschließend ergründet worden.